Praktikumsbericht von Janina Stürner: Keine Zeit für Kaffee kochen und Langeweile

„Studenten, welche bereits das Grundstudium abgeschlossen haben, können sich gern auf einen Praktikumsplatz in meinem Büro in Brüssel bewerben.“ Diesen Satz entdeckt man immer wieder auf der Homepage verschiedener Abgeordneter. Aber was ist, wenn ich, Janina Stürner, Abi 2009, noch nicht einmal mit meinem Studium begonnen habe und trotzdem schon einmal ganz praktisch in die Welt des Europäischen Parlaments hineinschnuppern möchte? Zum Glück gibt es Abgeordnete wie Herrn Dr. Thomas Ulmer, der mir die Möglichkeit bot, in den Monaten Mai und Juni 2010 ein sechswöchiges Praktikum in seinem Büro zu machen. An meinem ersten Tag war ich nervös, aber auch begeistert von der Größe des Parlaments und den vielen Menschen. Wo bekommt man schon die Gelegenheit, alle fünf Schritte eine andere Sprache zu hören?
Spätestens nachdem ich Herrn Ulmers Referenten Frau Herter und Herrn Sefr und kurz darauf auch Herrn Ulmer persönlich kennenlernte und herzlich willkommen geheißen wurde, verschwand meine restliche Nervosität und machte großer Neugierde auf meine zukünftigen Aufgaben Platz. Schnell wurde klar, dass hier für Kaffee kochen und Langeweile keine Zeit sein würde.
Ich war sehr beeindruckt, wie viele Aufgaben ich innerhalb der sechs Wochen meines Praktikums in zunehmender Eigenverantwortung erledigen durfte, ohne überfordert zu werden. Nach Absprache mit Herrn Ulmer recherchierte ich Hintergrundinformationen, um Bürgeranfragen zu beantworten, machte erste Erfahrungen im Verfassen von Pressemitteilungen und erstellte Berichte über Sitzungen und Konferenzen. Dies gehörte zu den faszinierendsten Erfahrungen, mitzuerleben wie Abgeordnete aus 27 verschiedenen Ländern versuchen, europäische Probleme unter der Einbeziehung nationaler und internationaler Aspekte zu lösen. Wie Gesetzesentwürfe entstehen und immer wieder durch Änderungsanträge verändert und verbessert werden.
Ich halte es für sehr wichtig, in diesen Bereich der Gesetzgebung Einblicke zu erhalten, da man zwar oft die Beschwerde hört, Gesetzte würden allgemein zu langsam geschaffen und umgesetzt, der Großteil der Bevölkerung sich jedoch gar nicht bewusst ist, wie viel Arbeit hinter einer verabschiedeten EU-Richtlinie steckt. Angesichts der Vielzahl von Themen, mit denen sich die Abgeordneten auseinandersetzten, ist es für mich nicht mehr verwunderlich, dass es nicht immer ganz einfach ist, zwischen den einzelnen Interessengruppen eine ideale Lösung auszuloten. So durfte ich mich beispielsweise in einer Konferenz mit den Fortschritten der Nanomedizin bei der Krebsbekämpfung auseinandersetzen, in Ausschusssitzungen Diskussionen über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik beiwohnen oder auch die Stellungnahme des isrealischen Botschafters in Brüssel, kurz nach dem Militäreinsatz gegen eine Flotte mit Hilfsgütern für den Gazastreifen,anhören.
Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Ulmer und seinen tollen Referenten Carola Herter und Paul Šefr für dieses einzigartige Erlebnis bedanken. Für die wunderbare Atmosphäre im Büro, dafür, dass ich alles fragen konnte was mich interessiert hat und für die Möglichkeit, unzählige politische Veranstaltungen im Parlament und den Landesvertretungen zu besuchen. Ich wäre zwar am Liebsten gleich im Parlament geblieben, aber ein abgeschlossenes Studium hat doch seine Vorteile. Immerhin weiß ich jetzt sicher, dass der deutsch-französische Studiengang „Angewandte Politikwissenschaften“ für mich genau das Richtige ist.
